Friederike Kempner (Bad Poetry Day)

Unser Social-Media-Beitrag zum Bad-Poetry-Day 2025 lobt Friederike Kempner.

Ich will gar nicht gehässig sein. Im Gegenteil: Ich halte Friederike Kempner in Ehren, denn sie ist ein großer Quell der Freude – wenn diese auch auf unfreiwillige Art zustande kommt. Kempner ist ein bisschen vergleichbar mit der Sängerin Florence Foster Jenkins: jemand, die mit Begeisterung ihr Metier betrieben hat gegen alle Kritik und dafür weltberühmt geworden ist. Gut so! 

Warum fällt Kempner mir als Erstes ein zum Bad Poetry Day – dem von Thomas und Ruth Roy erfundenen Gedenktag für schlechte Poesie? Nun, das ist genau das, was wir bekommen. Ich habe ein Gedicht ausgewählt, das mir sehr gefällt – besonders die Stelle mit der Verstopfung. Lest es euch durch! Es ist nicht mein Lieblingsgedicht von Kempner, aber das konnte ich heute leider erst zu spät wiederfinden. Ihr bekommt es nächstes Jahr, okay? 

Frühling

1

Wenn der holde Frühling lenzt
Und man sich mit Veilchen kränzt
Wenn man sich mit frischem Mut
Schnittlauch in das Rührei tut
Wallen durch des Menschen Säfte

Neue, ungeahnte Kräfte –
Jegliche Verstopfung weicht
Alle Herzen werden leicht
Und das meine fragt sich still
Ob mich dies Jahr einer will?

2

Ströme, milde Frühlingsluft
In das Haus hinein,
Ströme, milder Frühlingsstrahl
Auch ins Herz hinein. –

In die Herzen hart wie Stein,
kalt wie Kupfergeld,
Schmelze drei Lawinen drein,
Hochmut, Selbstsucht, Geld!

Berühmt geworden ist Kempner durch ihren erstaunlichen kommerziellen Erfolg. Die Auflagen ihrer Gedichtbände verkauften sich rasend. Käufer war in Teilen ihr Bruder, welcher dem Vernehmen nach versuchte, das, was er als peinlich empfand, zu unterdrücken, bis er daran pleite ging, denn die Kräfte des Kapitalismus sind stärker. 

Ich erwähne die Gedichte besonders, weil sie von der Literaturkritik bald als Quell der unfreiwilligen Komik entdeckt und geschätzt wurden, was ihr die Bezeichnung als schlesische Nachtigall einbrachte. Ihre Prosatexte und Dramen fanden nur wenig Beachtung, doch auch ihre Denkschriften zu beispielsweise der unmenschlichen Einzelhaft wurden vielfach aufgelegt.

Was ist nun die Lehre aus dem Ganzen? Ich könnte sagen, dass man gar nicht ›gut‹ sein muss, um erfolgreich zu sein, aber darum geht es nicht. Es geht darum, wie man Menschen eine Freude machen kann. Ist es nicht das, was wir als Autor*innen und Verleger*innen wollen? Ich weiß, ich (Claus) möchte das, selbst wenn ich Geschichten teils voll von Sadismus schreibe wie »Die Saat des Zorns«, erschienen in der »Erntenacht«-Anthologie. Ich denke, eine Freude machen wollte Friederike Kempner. Und es ist ihr gelungen, obwohl vielleicht anders als gedacht. 

Daraus lernen können wir, unser Ding durchzuziehen, weil wir dafür schon unser Publikum finden werden – und sei es ein unfreiwilliges!

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